Delegierter fÜr Opfer von fÜrsorgerischen Zwangsmassnahmen

Luzius Mader - Delegierter für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen
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MEDIENMITTEILUNG

29. Januar 2014

FÜrsorgerische Zwangsmassnahmen: Runder Tisch legt Kriterien der Soforthilfe fest

Die Aufarbeitung fürsorgerischer Zwangsmassnahmen kommt weiter voran: Ab Sommer wird der Runde Tisch für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen Gesuche für Soforthilfe entgegennehmen können. Im Herbst sollen die ersten Betroffenen Soforthilfe aus dem von der Glückskette verwalteten Fonds bekommen. Der Runde Tisch hat am Mittwoch an seiner dritten Sitzung in Bern die Kriterien für solche Leistungen festgelegt. Er befasste sich zudem mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung fürsorgerischer Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen.

Der Runde Tisch, den Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Frühling 2013 eingesetzt hatte, hat die Einrichtung eines Soforthilfefonds an seiner zweiten Sitzung im Oktober beschlossen.  Gemäss den nun vom Runden Tisch verabschiedeten Kriterien können Betroffene Soforthilfe erhalten, deren persönliche Integrität durch eine vor 1981 angeordnete oder vollzogene fürsorgerische Zwangsmassnahme verletzt worden ist. Massgebend ist die heutige finanzielle Situation: Soforthilfe wird nur Personen geleistet, die sich gegenwärtig in einer finanziellen Notlage befinden. Wie hoch die Soforthilfe-Leistungen sein werden, hängt namentlich vom verfügbaren Gesamtbetrag und von der Anzahl der Gesuche ab. Der Runde Tisch geht davon aus, dass ein Gesamtbetrag von 7 bis 8 Millionen Franken zur Verfügung stehen wird. Vorgesehen sind einmalige Beiträge in der Grössenordnung zwischen 4 000 und 12 000 Franken. Der Fonds für Soforthilfe wird auf freiwilliger Basis durch die Kantone, Städte und Gemeinden, andere Institutionen und Organisationen sowie Private unterstützt.

Gesuche für Soforthilfe sind ab Sommer an den Runden Tisch zu richten, der die Prüfung und Beurteilung der Gesuche organisiert. Dabei wird auch abgeklärt, ob andere Möglichkeiten zur Verbesserung der finanziellen Situation ausgeschöpft worden sind. Gesuche, welche die Voraussetzungen für die Leistung von Soforthilfe erfüllen, werden an die Glückskette weitergeleitet. Die Glückskette entscheidet über die Gesuche und nimmt die Auszahlung aus dem zeitlich befristeten Soforthilfefonds vor. Mittelfristig strebt der Runde Tisch eine definitive Regelung an und prüft zu diesem Zweck die Einrichtung eines Härtefall- oder Solidaritätsfonds. Das Gremium wird an seiner nächsten Sitzung vom 21. März die Grundzüge einer solchen Regelung beraten.

Wissenschaftliche Aufarbeitung

Der Runde Tisch befasste sich zudem eingehend mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen und diskutierte verschiedene Möglichkeiten für die Organisation dieser Aufarbeitung. Namentlich soll untersucht werden, welche Folgen die  fürsorgerischen Zwangsmassnahmen für die Betroffenen hatten und wie die Gesellschaft damit umgegangen ist. Wissenschaftlich aufgearbeitet sollen insbesondere Fremdplatzierungen von Kindern und Jugendlichen (Heim- und Verdingkinder),  Zwangsadoptionen, der Umgang mit Behinderten, administrative Versorgungen sowie zwangsweise durchgeführte Sterilisationen, Kastrationen und Abtreibungen. Erforscht werden soll auch die Zwangsmedikation in psychiatrischen Anstalten und Heimen. Die Untersuchungsergebnisse sollen einer breiten Öffentlichkeit sowie spezifischen Interessengruppen zugänglich gemacht werden.

Akteneinsicht erleichtern

Der Runde Tisch diskutierte weiter über Fragen und Probleme bei der Akteneinsicht. Die Schweizerische Archivdirektorenkonferenz hat bereits entsprechende Empfehlungen ausgearbeitet, die den zuständigen Behörden zugestellt worden sind. Die Empfehlungen wollen den Betroffenen die Einsicht in ihre Akten erleichtern sowie die zuständigen Stellen für deren Anliegen sensibilisieren. Nach Ansicht des Runden Tisches ist sehr wichtig, dass sich nicht nur staatliche Archive, sondern auch kirchliche und private Institutionen von diesen Grundsätzen leiten lassen.

Rechtliche Abklärungen

Der Runde Tisch nahm ferner zwei rechtliche Abklärungen des Bundesamtes für Justiz (BJ) zur Kenntnis. Zum einen ist das BJ zum Schluss gelangt, dass für Adoptionen gemäss dem vor 1973 geltenden Recht das Adoptionsgeheimnis nicht gilt und dass den leiblichen Eltern ein Auskunftsanspruch zusteht. Zum anderen haben die Abklärungen des BJ ergeben, dass Privatpersonen und Organisationen sowie Behörden bei privatrechtlichen Forderungen grundsätzlich auf die Einrede der Verjährung verzichten können.